(EB). „Es ist schön, ein fremdes Land anders als ein Tourist kennenzulernen“, fasst Daniel Konrad seine Erfahrungen beim Praktikum in Irland zusammen. Der angehende technische Systemplaner bei der Robert Thomas Metall- und Elektrowerke GmbH & Co. KG ist einer von 24 Auszubildenden aus Südwestfalen, die jetzt bei einer Feierstunde in der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) mit dem Europass Mobilität ausgezeichnet wurden. „Auslandspraktika während der Ausbildung eignen sich hervorragend für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen und zeigen, dass eine Berufsausbildung attraktive Chancen bietet“, hob IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim hervor.
Irland und Lettland
Mit dem IHK-Projekt „WINGs goes Ireland“ und Stipendien der IHK Siegen ging es für 19 kaufmännische und gewerblich-technische Auszubildende heimischer Unternehmen im vergangenen Jahr in den Südwesten der Republik Irland. Darüber hinaus reisten zwei angehende Bankkaufleute, eine angehende Automobilkauffrau, ein Auszubildender zum Industriekaufmann sowie ein angehender IT-Systemelektroniker mit dem Kooperationspartner Education GmbH und „Erasmus+“-Stipendien nach Lettland. In ausgesuchten mittelständischen Betrieben in Cork und Riga sammelten die jungen Leute internationale Berufserfahrung und lernten das Alltagsleben in der jeweiligen Gastfamilie oder in Studentenwohnheimen kennen. Ob Arbeitsprozesse in einer fremden Branche, rechtliche Fragen, Gepflogenheiten englischsprachiger Geschäftskommunikation oder kulturelle Besonderheiten: Von den erworbenen Kompetenzen profitieren die Teilnehmer nachhaltig, beruflich wie privat.
Berufsbilder unterscheiden sich
Dabei erfuhren die künftigen Fachkräfte, dass sich Berufsbilder innerhalb Europas stellenweise deutlich voneinander unterscheiden. Merle Jung, die ihre Ausbildung zur Automobilkauffrau inzwischen erfolgreich bei der Völkel GmbH abgeschlossen hat und ihr Praktikum in einem Autohaus in Cork absolvierte, stellte etwa fest, dass es in Irland im Gegensatz zu Deutschland keine Aufteilung in Serviceberater und Serviceassistenten gibt. Die angehende Industriekauffrau Julia Hartmann von der SMS Group GmbH hingegen absolvierte ihr Praktikum in Cork bei einem Start-up für Hard- und Software im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr. Ihre Kenntnisse der ÖPNV-Infrastruktur oder geschäftlicher Gepflogenheiten in Deutschland konnte sie in ihrem irischen Gastbetrieb produktiv einbringen, der Geschäftsbeziehungen mit Deutschland aufbauen möchte.
Hoher Digitalisierungsgrad
Beeindruckt von dem hohen Digitalisierungsgrad in Infrastruktur und Arbeitsabläufen zeigten sich alle Auszubildenden, die in lettischen Gastbetrieben waren. Simon Schulte, der seine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse Siegen inzwischen erfolgreich abgeschlossen hat und sein Praktikum in Riga bei einem europaweit führenden Anbieter von P2P-Kreditinverstitionen (Fintech) absolvierte, brachte es auf den Punkt: „Ich wusste bis zur letzten Praktikumswoche nicht, wo der Drucker steht, weil ich bis dahin nichts ausdrucken musste. Der einzige Ausdruck, den ich machen musste, war die Praktikumsbestätigung für Deutschland.“
Auch Unternehmen profitieren
Ein positives Fazit zogen nicht nur die Auszubildenden selbst, sondern auch die Ausbildungsverantwortlichen der Betriebe. Nina Herter (SIEGENIA GRUPPE): „Dies stärkt nicht nur ihre individuelle Entwicklung, sondern bereichert auch unser Unternehmen mit frischen Perspektiven und innovativen Ansätzen. Letztlich fördern wir damit die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens in einem globalisierten Markt.“ Nadine Treude (BIKAR Metalle GmbH) betrachtet ihre erste Entsendung eines Auszubildenden als „gute Investition“ in die persönliche Weiterentwicklung und Qualifizierung junger Menschen, aber auch in die Mitarbeiterbindung und die weitere Internationalisierung des Unternehmens. Anja Schöneborn (Kurt Obermeier GmbH) betont: „Ein Auslandspraktikum während der Ausbildung unterstützt unsere Azubis darin, ihre Stärken zu finden. Und uns als Unternehmen hilft es, unserem Fachkräftenachwuchs mehr Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten. Deswegen geben wir grundsätzlich allen Auszubildenden die Chance, ein Auslandspraktikum zu absolvieren.“
„Berufsbildung ohne Grenzen“
Bereits seit 2016 gehört die IHK Siegen dem bundesweiten Netzwerk „Berufsbildung ohne Grenzen“ an, das die Beratungsstellen unterstützt. „Mehr als 40 % der Industrieumsätze stammen im IHK-Bezirk aus dem Exportgeschäft. In einer globalisierten Arbeits- und Lebenswelt wird der Umgang mit kultureller Vielfalt, unterschiedlichen Werten und Bräuchen immer wichtiger“, betont Dr. Christine Tretow, Leiterin der Servicestelle Mobilitätsberatung der IHK Siegen. „Jährlich 28.000 € stellt die IHK Siegen für die Stipendien der Azubis seit 2019 zur Verfügung, die Unternehmen beteiligen sich jährlich mit 7.000 € – ein starkes Signal der heimischen Wirtschaft!“ Weitere Informationen: ihk-siegen.de (Seiten-ID 1165).