Handelsreferenten aus ganz Deutschland diskutieren die Erreichbarkeit von Innenstädten
(EB). „Die Menschen lernen, dass es immer schwieriger wird, mit dem Pkw in die Innenstädte zu kommen und suchen deshalb nach Alternativen, die sie nicht haben. Im Ergebnis meiden sie dann die Zentren und der Handel hat das Nachsehen.“ Die Wortmeldung beim Treffen der Handelsreferenten der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) bei der IHK Siegen zeigte das ganze Spannungsfeld auf, in dem sich Stadtplaner deutschlandweit befinden, wenn es darum geht, wie Innenstädte künftig erreichbar sind. „Die Veränderungen im Konsum- und Mobilitätsverhalten rücken die Aufenthaltsqualität in den Mittelpunkt“, erläuterte Anne-Kathrin Tögel, Referatsleiterin Stadtplanung und Flächenpolitik bei der DIHK. Viele Kommunen wünschten sich daher größeren regulatorischen Spielraum, etwa bei der Ausweisung der Zone 30 und bei Ladezonen. Die hierzu notwendigen Anpassungen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der Straßenverkehrsordnung (StVO) würden derzeit kritisch diskutiert, weil auch die Sicherheit und der Verkehrsfluss zwingend zu berücksichtigen seien.
Deutschlandstudie Innenstadt
Tögel ging auf einige wichtige Erkenntnisse der „Deutschlandstudie Innenstadt“ ein, an der die DIHK mitgewirkt hat. Demnach spielt die Größe einer Stadt bei der bevorzugten Wahl des Verkehrsträgers zur Erreichung der Innenstadt eine Rolle: Während bei Städten bis 50.000 Einwohnern der Pkw deutlich dominiert, sinkt seine Bedeutung bei Städten zwischen 50.000 und 200.000 Einwohnern. Bei noch größeren Städten gewinnt der ÖPNV deutlich die Oberhand. Generell verliere der Pkw gegenüber dem Umweltverbund an Bedeutung, wobei innenstadtnahe Parkplätze nach wie vor relevant seien, erklärte die Referentin. Klar sei auch: Die jüngere Generation ist weniger „autoaffin“.
Verkehrsberuhigung erhöht Aufenthaltsqualität
Mobilitätsangebote, die aus Sicht der Befragten in der deutschlandweiten Studie am ehesten verbessert werden sollten, sind die Fußgängerfreundlichkeit, Parkplätze am Innenstadtrand sowie eine günstigere Anbindung mit dem ÖPNV. Aus Sicht der Wirtschaft brauche es individuelle Konzepte für den Verkehr in der jeweiligen Innenstadt. Eine Verkehrsberuhigung könne die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt erhöhen, diese müsse aber für alle Verkehrsträger und Verkehrsarten erreichbar bleiben.
Nur Busse und Bahnen durchaus problematisch
Dass eine ausschließliche Anbindung mit dem ÖPNV durchaus problematisch sein kann, zeigte das Beispiel einer Stadt in Hessen. Dort komme der Ausbau der ÖPNV-Angebote nicht voran, weil unter anderem Personal im Mobilitätssektor fehle. Es sei eine Verschlechterung des ÖPNV-Angebotes zu beobachten, da Verbindungen ausfielen und die Bedienung von Strecken reduziert werde.
Handel im Fadenkreuz von Hackern
Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt der Tagung lag auf der Cybersicherheit, denn auch der Handel steht vermehrt im Fadenkreuz von Hackern. NIS2-Richtlinie, Cyber Resilience Act (CRA) oder das EU-Gesetz zur Künstlichen Intelligenz („AI-Act“) machen allesamt rechtliche Vorgaben, deren Umsetzung die Anfälligkeit für Cyberattacken bzw. deren Auswirkungen bei Unternehmen eindämmen kann. Problematisch aus Sicht der Handelsreferenten: Inhaltliche Überschneidungen zwischen den Normen und Überforderungen, etwa durch enge zeitliche Vorgaben für die Umsetzung. Hinzu kommen bürokratische Lasten: Vorgesehen sind neben einer Registrierungspflicht, diverse Sicherheitsmaßnahmen, die Meldung von Sicherheitsvorfällen, Unterrichtungs- und Nachweispflichten sowie die Schulung (und Haftung) von Geschäftsleitungen.
28 Veranstaltungen zu Social Media
Sonja Riedel, Handelsreferentin der gastgebenden IHK Siegen, stellte die umfangreichen Beratungs- und Qualifizierungsangebote der Kammer für Einzelhändler, Gastronomen und Dienstleister vor. Darunter die Web-Workshop-Reihe mit 28 Veranstaltungen in diesem Jahr rund um das Thema Social Media, die im vergangenen Jahr von rund 800 Teilnehmern besucht wurden. „Gemeinsam mit den Besuchern entwickeln wir das Angebot kontinuierlich weiter, um die äußerst gute Resonanz auch künftig zu erhalten“, erklärte Riedel. Zudem führt die IHK Jahr für Jahr durchschnittlich 60 Einzelberatungen bei Händlern im Kammerbezirk durch, in denen spezifische Ansätze für die Social-Media-Arbeit aufgezeigt werden. „Für uns selbst sind diese Kanäle aus der täglichen Arbeit mittlerweile nicht mehr wegzudenken“, erläuterte die Handelsreferentin. Mittlerweile erfolge auch die Kontaktaufnahme von Händlern zur IHK immer stärker über Instagram.
Stadtführung mit Stadtbaurat
Zu Beginn der Veranstaltung hatte Dr. Thilo Pahl, Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen, den heimischen Wirtschaftsstandort vorgestellt. Bereits tags zuvor konnten die Handelsreferenten bei einem Austausch mit Siegens Bürgermeister Steffen Mues und einer Stadtführung durch Stadtbaurat Henrik Schumann einen tiefen Einblick in die dynamische Entwicklung der Siegener Innenstadt gewinnen.