Neyetalsperre: Mehr als 50 Kontrollen

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Neyetalsperre. Foto: Frank Vincentz/Wikipedia

Kreis: Betriebsuntersagung nur als letztes Mittel

Von Hendrik Klein

Wie konnte so etwas wieder passieren? Und wer ist dafür verantwortlich? Das sind die drängendsten Fragen im Zusammenhang mit der erneuten Einleitung von mehreren hundert Kubikmeter Gülle von einem landwirtschaftlichen Betrieb in Halver in einen Nebenarm der Neye sowie der damit verbundenen Kontaminierung der Neyetalsperre. Bereits der erste Vorfall im Jahr 2015 hatte weitreichende Folgen.  Am 25. August 2016 berichtete der damalige Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, Johannes Remmel, ausführlich an den zuständigen Ausschuss des Landtages Nordrhein-Westfalen.

In seiner Zusammenfassung schreibt Remmel damals:

„Vorsorge gegen künftige Unfälle dieser Art muss auf mehreren Ebenen erfolgen, EinzeImaßnahmen sind hier wenig erfolgversprechend. Vorsorgende Maßnahmen zum Schutz der Gewässer vor derartigen Belastungen sind notwendig, um zukünftige Vorfälle zu vermeiden und die Gewässer vor weitreichenden Schäden zu schützen.

Nach den Erfahrungen im vorliegenden Fall gehören dazu vor allem:

• Rechtliche Anforderungen an Bau und Sicherung von Güllebehältern

• Konsequente Überwachung dieser Anforderungen

• Überwachung des überbetrieblichen Güllehandels; hier hat NRW mit der Wirtschaftsdüngenachweisverordnung die Grundlagen geschaffen

• Kontrolle der Gülleverwertung in den aufnehmenden Betrieben; diese Kontrollen hat NRW deutlich ausgeweitet und setzt sich bei der Novellierung des Düngerechts für bessere rechtliche Voraussetzungen ein

• Intensivierung der Beratung zur Güllelagerung und

• Intensiver Austausch zwischen den betroffenen Behörden

Um derartige Schadensfälle für die Zukunft zu vermeiden, ist eine Anpassung der Anlagentechnik erforderlich. Eine entsprechende Initiative ist ergriffen worden. Daneben gilt es jedoch auch das Bewusstsein der Betreiber für die mit der Lagerung von Gülle verbundenen Risiken zu schärfen und die behördliche Überwachung dieser Anlagen im Sinne einer risikoorientierten Überwachung im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten anzupassen.“

Bezogen auf dem Märkischen Kreis erklärt der Minister:

„Die untere Bauaufsichts- und untere Wasserbehörde werden die drei Güllebehälter bis auf Weiteres weiterhin regelmäßig kontrollieren, so dass Missstände zeitnah fest- und abgestellt werden können. Der Märkische Kreis geht davon aus, dass vor diesem Hintergrund kein erhöhtes Gefährdungspotential von den Güllebehältern ausgeht. Selbstverständlich kann der Kreis Gefahren, die beispielsweise durch kriminelle Handlungen oder höhere Gewalt in Form von Naturgewalten verursacht werden, nicht verhindern“.

Auf Anfrage erklärte die Pressestelle des Märkischen Kreises:

„Bereits in den Jahren 2014 und 2015 wurde ein landwirtschaftlicher Betrieb in Halver-Kotten als Schadensquelle einer Gülle-Verunreinigung ausgemacht. Im März 2015 flossen von diesem landwirtschaftlichen Betrieb 1,7 Millionen Liter Gülle in die Neye-Talsperre.

Freispruch aus Mangel an Beweisen

Strafrechtlich konnte der Landwirt damals nicht belangt werden. Er hätte seinerzeit als Schadensverursacher und damit als Adressat der Betriebsuntersagung feststehen müssen. Allerdings konnten weder Polizei noch Staatsanwaltschaft dem Landwirt eine Verursachung des Gülleaustritts nachweisen. Das Landgericht Hagen sprach ihn im Herbst 2017 aus Mangel an Beweisen frei. Ein Täter bzw. Schadenverursacher konnte somit nicht festgestellt werden.

 Schadensersatz

Im nachfolgenden Zivilprozess wurde der Landwirt als Betreiber einer Anlage mit wassergefährdenden Stoffen (Güllebehälter) zu Schadenersatzzahlungen verurteilt, die insbesondere für das Abpumpen der Gülle aus den Gewässern fällig wurden. Hierzu war es jedoch nicht erforderlich, dem Landwirt die Verursachung des Gülleaustritts nachzuweisen. Der bloße Betrieb einer solchen Anlage ist für zivilrechtlichen Schadenersatz ausreichend (sogenannte Gefährdungshaftung). Für den Güllebehälter, aus dem 2015 die Gülle ausgetreten ist, wurde eine Beseitigungsverfügung erlassen, die jedoch vom Landwirt vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg beklagt wird. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Was seit 2015 unternommen wurde:

In den Monaten nach dem Gülleaustritt 2015 wurde der Hof vom Märkischen Kreis engmaschig kontrolliert, ohne dass es zu Beanstandungen im Zusammenhang mit dem Lagern von Gülle gekommen war. Im Laufe der Jahre wurden die Kontrollabstände im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben gewählt. Es gab bei der letzten Kontrolle keine feststellbare Beanstandung. Auf dem Hof haben seit 2015 insgesamt mehr als 50 anlasslose Kontrollen stattgefunden. Sie gaben keinen Anlass zu ordnungsbehördlichen Verfahren. Sieben Jahre nach dem Güllevorfall aus 2015 ist die letzte Kontrolle der Bauaufsichtsbehörde im November 2022 erfolgt.

 Boden- und Wasserproben entnommen

Im aktuellen Fall wurden Boden- und Wasserproben entnommen. Die Untersuchungen sind durch den Wupperverband beauftragt. Die Proben sind an ein akkreditiertes Labor gegangen. Wir hoffen gemeinsam mit dem Wupperverband darauf, so schnell wie möglich Ergebnisse zu erhalten. Nach dem Wasserhaushaltsgesetz hat es direkt eine mündliche Ordnungsverfügung gegeben, die den Eigentümer verpflichtet, unter anderem die entstandenen Verschmutzungen zu beseitigen. Dieser Ordnungsverfügung ist der Verursacher – in Bezug auf die Verunreinigungen des Baches – bislang nicht nachgekommen. Im Rahmen der Ersatzvornahme werden gemeinsam mit der Wasserbehörde, dem Wupperverband sowie einem Dienstleister Lösungen ermittelt, um den Bach schnellstmöglich zu säubern.

Betriebsuntersagung als letztes Mittel

Auch am Dienstag waren deshalb Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Umweltbehörde des Märkischen Kreises vor Ort. Es werden Beweise gesichert, um den Hergang des Geschehens möglichst detailliert rekonstruieren zu können. Welche weiteren Maßnahmen eingeleitet werden, wird aktuell geprüft. Eine Betriebsuntersagung, wie sie jetzt von mehreren Personen öffentlich gefordert wurde, ist als Ultima Ratio zu betrachten. Ultima Ratio ist gleichbedeutend mit dem allerletzten Mittel, wenn alle anderen, milderen Mittel ausgeschöpft wurden und der Verursacher dennoch gegen sämtliche Auflagen verstoßen hat. Erst wenn alle anderen rechtlichen, milderen Mittel nicht greifen, kommt gegebenenfalls eine Betriebsuntersagung zum Beispiel nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz in Betracht. Nur dann könnte sie rechtssicher und gerichtsfest angeordnet werden.“

wave.inc

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