Wirtschaft steckt im Krisenmodus fest

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IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Thilo Pahl (links) und IHK-Präsident Walter Viegener stellten den Konjunkturbericht vor. Archivfoto: IHK

Wirtschaftspolitik größte Belastung

(EB). „Die Stimmung der heimischen Wirtschaft bleibt äußerst düster. Ein Mix zahlreicher nationaler und internationaler Risiken belastet die regionale Wirtschaft. Das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort ist an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Nie zuvor wurde die Wirtschaftspolitik von so vielen Unternehmen als Geschäftsrisiko eingestuft. Die Unsicherheit und Unzufriedenheit lähmen Unternehmen und private Verbraucher. Investitionen werden weiter verschoben oder ganz aufgegeben bzw. verlagert. Die Bürger halten ihr Geld zusammen. Aber ohne Investitionen und privaten Konsum wird es kein Entkommen aus der Strukturkrise geben.“ Mit diesen Worten kommentiert IHK-Präsident Walter Viegener die Ergebnisse der neuesten IHK-Konjunkturumfrage, an der sich 526 Unternehmen mit mehr als 36.000 Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungsgewerbe in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten.

Hoffnung in neue Bundesregierung

Der Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartung – steigt um fünf Punkte auf einen Wert von 83. Damit liegt er weiterhin deutlich unter dem Mittelwert der letzten 20 Jahre (106). Der Anstieg basiert allerdings allein auf den mittlerweile nicht mehr ganz so düsteren Geschäftsprognosen. Nach wie vor überwiegt aber die Skepsis merklich. Dass sich das wirtschaftliche Klima in den kommenden Monaten erholt, erwarten nur 15 % der befragten Firmen. 34 % bleiben pessimistisch. Walter Viegener: „Die heimische Wirtschaft steckt im Krisenmodus fest. Unsere Betriebe blicken weiterhin mit großer Sorge in die Zukunft. Breiter Optimismus bleibt Mangelware. Vielmehr liegt die Hoffnung in einer neuen Bundesregierung. Das spiegelt sich in den vielen Kommentaren wider, die wir erhalten haben. Es ist entscheidend, dass die neue Regierung eine konsequente wirtschaftsfreundliche Politik hin zu besseren Rahmenbedingungen umsetzt. Es muss schnell wieder Vertrauen in den eigenen Standort aufgebaut werden, gerade weil die geopolitischen Risiken und Herausforderungen weiter zunehmen.“

Die richtigen Impulse setzen

Dabei liegen die Themen, die endlich angepackt werden müssen, schon lange auf dem Tisch. Vor allem ein umfassender Bürokratieabbau, weniger staatliche Bevormundung und mehr unternehmerische Freiheiten, bezahlbare und verlässliche Energieversorgung, schnellere Genehmigungsverfahren, mehr Investitionen in die marode Verkehrsinfrastruktur und nicht zuletzt eine Verringerung der überdurchschnittlichen Abgabenlast sind zentrale Stellschrauben. „Mit dem zunehmenden Protektionismus und nicht zuletzt mit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA ist es zudem noch wichtiger geworden, endlich richtige Impulse zu setzen und in einem wirtschaftlich gesunden Europa eng zusammenzustehen, damit auch künftig mit unseren wichtigen Handelspartnern USA und China eine gute Zusammenarbeit möglich ist“, ergänzt Walter Viegener.

Hohe Risikobewertung – niedrige Investitions- und Beschäftigungsabsichten

Die Risikobewertung für die wirtschaftliche Entwicklung bleibt überdurchschnittlich hoch. Fast drei Viertel (74 %) der Unternehmen sehen in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen das größte Geschäftsrisiko – ein Rekordwert. Ebenfalls in der Risikobewertung gestiegen sind die Arbeitskosten (62 % – ebenso ein Rekordwert) sowie die Energie- und Rohstoffpreise (62 %). IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Thilo Pahl: „Der heimische Wirtschaftsstandort hat im internationalen Vergleich massiv an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Kosten sind zu hoch, und für Investitionen fehlen die Anreize. Die Investitionsabsichten sind dramatisch schlecht. In den vergangenen 20 Jahren war nur einmal die Investitionsneigung geringer: zu Beginn der Corona-Pandemie 2020. Nur noch 14 % der Unternehmen wollen ihre Investitionen erhöhen. Gleichzeitig plant fast jeder Zweite mit geringeren Ausgaben.“ Auch die Beschäftigungspläne fallen entsprechend äußerst verhalten aus: Nur 11 % der Unternehmen planen, Personal aufzubauen, ein Drittel der Betriebe geht davon aus, dass die Zahl der Beschäftigten abnimmt, etwa jeder Zweite rechnet mit einer gleichbleibenden Beschäftigung.

Etwas besserer Auftragsbestand in der Industrie – Auslastung unterdurchschnittlich

Die Industrieunternehmen aus Siegen-Wittgenstein und Olpe bewerten sowohl ihre Geschäftslage als auch ihre Zukunftserwartungen etwas besser als im Herbst. 16 % melden aktuell eine gute wirtschaftliche Lage und 38 % eine schlechte. Während 17 % zukünftig bessere Geschäfte erwarten, sind 34 % beim Blick auf die kommenden Monate pessimistisch. Im Neugeschäft sieht es zumeist aber weiter düster aus, wenn auch nicht mehr ganz so beängstigend wie noch im Herbst. Dennoch: 53 % der Industrieunternehmen melden weniger Inlandsaufträge. Bei den Auslandsaufträgen spricht ein Drittel von einer fallenden Tendenz. Dr. Thilo Pahl: „In der heimischen Industrie sehen wir mehr Schatten als Licht. Zwar melden Teile der Industrie einen etwas besseren Auftragsbestand als noch im Herbst, aber die Produktionsauslastung ist weiterhin mehrheitlich unterdurchschnittlich. Eine spürbare Steigerung ist aufgrund der schwächelnden Neuaufträge auch nicht in Sicht. Die Ertragslage nähert sich dem historischen Corona-Tief. Ein schneller Befreiungsschlag aus der immer länger werdenden tiefen industriellen Krise ist unter diesen Voraussetzungen unwahrscheinlich.“

Die Stimmung innerhalb der Industrie ist weiterhin äußerst heterogen. Während die Lage im Maschinenbau gerade noch befriedigend ist, bleibt die Situation in der besonders energieintensiven Metallerzeugung und bei den Herstellern von Metallerzeugnissen besorgniserregend.

Mangelnde Nachfrage belastet Bauwirtschaft

Im Baugewerbe überwiegt erstmals seit 15 Jahren eine negative Lagebeurteilung. Nur noch jedes fünfte Bauunternehmen meldet eine gute Geschäftslage. Vor einem Jahr war es noch fast jedes zweite. Der Blick in die Zukunft ist deutlich pessimistisch. Stephan Häger, Leiter des Referates Konjunktur, Arbeitsmarkt und Statistik: „Die Alarmstimmung in der regionalen Bauwirtschaft hält weiter an. Die Nachfrage nach Bauleistungen ist überwiegend schwach ausgeprägt. Insbesondere im Hochbau fehlen weiter die Impulse. Die Herausforderungen sind erheblich. Personalmangel, hohe Preise für Baumaterialien und Energie, ein Mangel an Neuaufträgen, lange Genehmigungsprozesse und nahezu unüberblickbare Vorschriften und Bauauflagen belasten die Branche stark.“

Kaufzurückhaltung im Groß- und Einzelhandel

Der regionale Großhandel kann sich der anhaltenden Konjunkturflaute nicht entziehen. Die Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte und der Rückgang bei den Aufträgen der Industrie treffen den Großhandel von beiden Seiten. Die Lagebeurteilung bleibt auf dem niedrigsten Wert seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. Die Zukunftsaussichten hellen sich sowohl im produktionsnahen als auch konsumnahen Großhandel etwas auf, bleiben aber überwiegend düster.

Zufriedenstellendes Weihnachtsgeschäft

Zum Jahresbeginn bewertet der regionale Einzelhandel die Geschäftslage etwas besser als im Herbst. 12 % melden eine gute Geschäftslage, 24 % eine schlechte. Stephan Häger: „Der Einzelhandel blickt weitgehend auf ein zufriedenstellendes Weihnachtsgeschäft zurück. Für zahlreiche Händler lief es besser als erwartet. Die schwache Nachfrage zum Jahresbeginn bereitet den Betrieben aber große Sorgen. Die Kaufzurückhaltung der Kundschaft zieht deutlich an. Die Verunsicherung der Verbraucher angesichts zahlreicher schlechter Nachrichten aus der Wirtschaft befeuert die Konsumzurückhaltung. Die Hoffnung auf zukünftig bessere Geschäfte bricht förmlich weg.“ Acht von zehn Einzelhändlern berichten von einem aktuell zurückhaltenden Kaufverhalten der Kunden. Fast jeder zweite Händler blickt pessimistisch auf die kommenden Monate.

Dienstleistungsbranche angespannt

Im regionalen Dienstleistungsgewerbe wird die aktuelle Geschäftslage spürbar schlechter beurteilt als noch im Herbst. Der Blick in die Zukunft ist ebenfalls pessimistischer. Vor allem die unternehmensnahen Dienstleister und das Verkehrsgewerbe gehen von zukünftig schlechteren Geschäften aus. Die Stimmung der regionalen Hoteliers und Gastronomen ist schlecht. Circa 50 % berichten derzeit von schlechteren Umsätzen. Sechs von zehn Gastronomen melden eine angespannte Finanzlage.

wave.inc

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